»Zahnbürsten sind ein extremer Ort«
Egert: Die Entdeckung der amerikanischen Kollegen ist ein Meilenstein in der Zahnbürstenforschung. Ein Bakterium kann auf unterschiedlichen Wegen resistent werden gegen ein Antibiotikum. Verantwortlich für Resistenzen sind bestimmte Proteine, die das Antibiotikum zerstören oder es aus der Bakterienzelle herausbefördern. Von solchen Proteinen haben die Forscher 176 verschiedene Typen auf den von ihnen untersuchten Zahnbürsten gefunden. Das ist schon eine ganze Menge.
SPIEGEL: Woher kommen die Keime mit den Resistenzen?
Egert: Aus der Luft, aus dem Wasser, womöglich sogar aus dem Abspülwasser der Toilette. Interessant ist, was auf der Zahnbürste dann womöglich passiert: Dort treffen beispielsweise Streptokokken, die besonders auf Schleimhäuten gedeihen und typische Mundbakterien sind, auf Pseudomonas-Bakterien, die diese Resistenzgene besitzen. Pseudomonaden selbst könnten in unserem Mund kaum überleben, sie sind eher im Wasser heimisch. Aber sie können die resistenten Gene auf die Streptokokken übertragen. Das ist das Schreckensszenario: Die holen wir uns dann beim nächsten Zahnputz in den Mund. Und damit ensteht die Gefahr, dass sich resistente Mundbakterien entwickeln.
SPIEGEL: Warum gedeihen antibiotikaresistente Keime ausgerechnet auf der Zahnbürste so gut?
Egert: Weil die Zahnbürste aus mikrobiologischer Sicht ein extremer Ort ist. Antimikrobielle Wirkstoffe aus der Zahnpasta und Mundwasser und der ständige Wechsel zwischen feucht und trocken bedeuten enormen Stress für die meisten Mikroben. Nur die harten, unverwüstlichen Bakterien überleben an diesem Flecken. Und weil sie keine Nahrungskonkurrenz zu fürchten brauchen, vermehren sich solche Keime dann auch sehr schnell.
SPIEGEL: Sollte man dann lieber gar keine Zähne mehr putzen?
Egert: So weit würde ich nicht gehen. Aber man sollte seine Zahnbürste gründlich von Zahnpastarückständen reinigen, gut trocknen und spätestens nach drei Monaten ersetzen.
SPIEGEL: Im Bad würde man die Keimquelle eher woanders vermuten als auf der Zahnbürste.
Egert: Ich werde ja nicht müde zu betonen, dass der Toilettensitz die vermutlich keimfreieste Zone in der ganzen Wohnung ist. Der ist glatt und meistens trocken, da kann sich kaum etwas ansiedeln. Ich kenne aber Leute, die schmeißen ihre Klobürste weg, wenn ein Gast da war und diese benutzt hat. Dieselben Menschen schrubben ihre Zähne dann womöglich ein Jahr lang mit derselben Bürste. Hygienisch gesehen, ergibt das keinen Sinn.
SPIEGEL: Was ist von Zahnbürsten-Kits zu halten, bei denen der Bürstenkopf mit UV-Licht bestrahlt wird, um ihn keimfrei zu halten?
Egert: Das ist reines Overengineering und Blödsinn. Vermutlich reduziert es die Keimzahl auch nicht deutlicher als simples Trocknen. Und als antimikrobielle Maßnahme könnte das grundsätzlich auch zur Selektion resistenter Keime führen.